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Wenn die Seele Hilfe braucht

Sind Sie von einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung betroffen, können Sie sicherlich einige Hürden aufzählen, die Ihnen in Ihrem Alltag mit der Erkrankung begegnen. Verständlich, wenn Sie sich ab und an überfordert oder verunsichert fühlen und Ihnen die Kraft fehlt. Positiv ist: Sie können seelischen Belastungen vorbeugen und damit Ihr Wohlbefinden steigern. Erlernbare Strategien tragen dazu bei, dass Sie Ihrer Erkrankung gestärkt begegnen und Ihr Leben bestmöglich gestalten können.

Seelische Belastungen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Ein wichtiges Meeting im Job, in der Mittagspause endlich mal wieder die Freundin sehen, nach der Arbeit noch eine Yogastunde und ein Dinner-Date am Abend – unser moderner Alltag ist schnelllebig und vollgepackt mit Terminen und Verabredungen, getreu dem Motto: Halte alles in einer guten Balance. Das stresst und kann Sie psychisch unter Druck setzen.

Ein Mann sitzt auf dem Sofa und überlegt
Ein Mann sitzt auf dem Sofa und überlegt

Eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) fordert Betroffene zusätzlich heraus. Denn der Alltag mit CED hält seine ganz eigenen Hürden parat. Die körperlichen Beschwerden können belasten und den Alltag erschweren. Sich spontan mit Bekannten zu treffen oder schwimmen zu gehen, ist häufig nicht ganz einfach. Wenn der Bauch weh tut und die Beschwerden womöglich mit Krämpfen und Durchfall einhergehen, ziehen sich Betroffene häufig lieber zurück. 

Möglicherweise kennen Sie einige dieser Gefühle. Sind Sie vielleicht auch manchmal verunsichert und fragen sich, wie Sie Ihren Alltag meistern sollen? Es ist normal, wenn Ihnen von Zeit zu Zeit die Dinge über den Kopf wachsen. Die körperlichen Symptome, die Therapie und die damit einhergehenden Unsicherheiten können sich auf die Seele auswirken und Sie belasten.

Wichtig ist, dass Sie auf sich achten. Behalten Sie die Höhen Ihres Alltags im Blick – auch mit Ihrer CED. Tauschen Sie sich mit Ihren Lieben aus, um sich den Ballast von der Seele zu reden. Bemerken Sie jedoch, dass die negativen Gefühle überwiegen und Ihnen alles zu viel wird, kann professionelle Hilfe, beispielsweise in Form einer Psychotherapie, sinnvoll sein.

Warum Ihnen die Psyche auf den Darm schlagen kann – und umgekehrt

Schon länger ist bekannt, dass die Psyche und der Körper eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen können. Klar ist auch, dass sich Entzündungsprozesse im Körper auf die Seele auswirken und psychischer Stress wiederum zu neuen Entzündungen führen kann.

Forschende fanden heraus, dass Patient*innen mit CED dreimal so häufig an Depressionen erkranken als gesunde Menschen. Gerade in Zeiten eines akuten Schubs, in denen die körperlichen Symptome verstärkt auftreten, benötigen Betroffene oftmals psychotherapeutische Unterstützung. Langanhaltender Stress wird zwar nicht als Ursache, jedoch als Risikofaktor bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa gesehen.

Die Gründe für die enge Verbindung zwischen Darm und Seele sind vielseitig. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Immunsystem. Sind Sie gestresst, wird das Immunsystem aktiviert, um Sie für die besondere Situation ausreichend zu wappnen. In einem solchen Moment schüttet der Körper vermehrt Stresshormone wie Cortisol aus. Zudem werden Prozesse heruntergefahren, die in der akuten Belastungssituation nicht benötigt werden, beispielsweise die Darmtätigkeit.

Besteht die seelische Belastung längere Zeit, ist der Körper dauerhaft in Alarmbereitschaft. Er versucht, dem Druck standzuhalten, was häufig zu Stresssymptomen wie Verspannungen oder Kopfschmerzen führt. In dieser Phase kann es auch zu depressiven Verstimmungen oder anderen psychischen Symptomen einer Überbelastung kommen. Ab einem bestimmten Punkt ist der Körper erschöpft. Das Immunsystem ist gehemmt und Krankheitserreger können sich einfacher verbreiten. Zudem wird die Schutzbarriere des Darms, die Darmflora, durchlässiger, sodass Keime leichtes Spiel haben, in die Blutbahn zu gelangen. Das kann zu neuen Entzündungsreaktionen führen und damit die Symptome einer CED verstärken.

Diese vermehrten Beschwerden und ein dadurch erschwerter Alltag führen dann in der Regel zu einer erhöhten seelischen Belastung: ein Teufelskreis. Die gute Nachricht ist: Sie gestalten Ihr Leben selbst. Beeinflussen Sie Ihre körperliche und psychische Gesundheit positiv, können Sie auch den Kreislauf positiv beeinflussen.

Mehr über die Rolle des Immunsystems können Sie unter Mein Immunsystem nachlesen.

Stress ist nicht gleich Stress

… denn der kann sich auch positiv auf den Körper auswirken. Den Unterschied macht die Belastungsdauer, die Erholungspause und ob Sie das Gefühl haben, die Aufgabe kann von Ihnen gelöst werden.

Kurzzeitiger Stress, auch Eustress genannt, löst häufig ein Gefühl der Befriedigung aus. Das kann ein Vorstellungsgespräch sein, auf das Sie sich gut vorbereitet haben oder eine anstehende Prüfung. Eustress entsteht in Situationen, die Sie positiv herausfordern. Der Körper stellt über einen kurzen Zeitraum mehr Energie bereit und ist dadurch körperlich und psychisch leistungsfähiger. Durch gesunden Stress können Sie Ihre Ressourcen optimal nutzen und in wichtigen Momenten punkten.

Bleibt die angespannte Situation allerdings über einen längeren Zeitraum bestehen, ist der Körper dauerhaft gestresst, was auch als Distress bezeichnet wird. Fühlen Sie sich überlastet und der Hürde nicht gewachsen, schadet das sowohl der körperlichen als auch der seelischen Gesundheit. An- und Entspannung des Körpers geraten aus dem Gleichgewicht. Eine geschwächte Immunabwehr und erhöhte Entzündungsreaktionen sind häufig die Folge. 

Lesen Sie in der Broschüre „Das Immunsystem – Funktion und Bedeutung bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung“ in Ruhe alles nach, was Sie zum Thema wissen möchten und testen Sie am Ende Ihr Wissen mit einem kurzen Quiz. Unter Meine Broschüren können Sie sich das Heft downloaden oder bestellen.
 

Weniger Beschwerden bedeuten oft auch weniger Stress

Körper und Psyche bedingen sich wechselseitig. Aus medizinischer Sicht ist es daher wichtig, dass Sie Ihre Erkrankung engmaschig betreuen lassen. Eine für Sie geeignete Therapie und regelmäßige Kontrollen bei Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer behandelnden Ärztin können Ihre körperlichen Beschwerden reduzieren.

Nehmen Sie daher Ihre Medikamente wie verordnet ein und beraten Sie sich mit Ihrem Behandlungsteam, wenn Sie etwas Ungewöhnliches bemerken oder Fragen haben. So können Entzündungsprozesse frühzeitig entdeckt und Beschwerden rechtzeitig behandelt werden.
 

Hören Sie auf die Signale Ihres Körpers

Achten Sie auf Zeichen, die Ihr Körper Ihnen gibt – wenn es einmal zu viel wird, kann sich das sowohl körperlich als auch seelisch bemerkbar machen:

Körperliche Anzeichen

  • Verspannungen der Muskultur
  • Kopfschmerzen oder Migräne
  • Schweißausbrüche
  • Müdigkeit, Schlappheit
  • Schlafprobleme
  • Probleme mit der Verdauung

Psychische Anzeichen

  • Unsicherheiten, Sorgen, Ängste
  • Unruhe, Nervosität
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Aggressivität, Gereiztheit
  • Unentschlossenheit
  • Überforderung

Kopf hoch!

Mit einer CED den Alltag zu bestreiten, kann anstrengend sein. Die Therapie ist zeitintensiv und Ausflüge mit Freund*innen müssen häufig gut geplant sein. Zudem kann es belasten, wenn Sie öfter zur Toilette müssen oder beim Essen nicht alles vertragen.

Auch wenn es sich im ersten Moment nicht einfach anhört: Bestimmen Sie selbst, wie Ihr Leben mit Ihrer Erkrankung aussehen soll. Gestalten Sie es nach Ihren Wünschen und Vorstellungen.

Vermeiden Sie Situationen, die Sie stressen oder unter Druck setzen. In manchen Fällen sind es schon kleine Veränderungen, die Ihnen große Erleichterung verschaffen können. Wichtig dafür ist, dass Sie herausfinden, welche Momente Sie beeinträchtigen.

Erkennen können Sie dies, indem Sie sich auf die positiven Dinge in Ihrem Leben fokussieren. Was macht Sie glücklich und wer oder was gibt Ihnen Kraft? Möglicherweise haben Sie gerade einen schönen Spaziergang mit Ihrer Familie unternommen und konnten dabei so richtig abschalten. Konzentrieren Sie sich auf solche Erlebnisse und setzen Sie Prioritäten. Trauen Sie sich, Nein zu sagen, wenn Ihnen etwas zu viel ist oder Sie lieber eine ruhige Zeit auf dem Sofa verbringen möchten. Nehmen Sie bewusst wahr, wo Ihre Grenzen liegen und akzeptieren Sie diese. Dabei kann es helfen, die eigenen Ansprüche zu hinterfragen und die Einstellung in Bezug auf die Erkrankung zu reflektieren.

Weiterführende Informationen, wie Sie Herausforderungen positiv begegnen können, finden Sie in der Broschüre „Seelische Belastungen bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung“, die Sie unter Meine Broschüren bestellen oder downloaden können.

Mit Kraftgebern raus aus der Stressfalle

In schwierigen Phasen den passenden Weg zu mehr Leichtigkeit zu finden, ist nicht immer ganz einfach. Doch es gibt konkrete Verhaltensweisen und Strategien, die Sie erlernen und die Ihnen dabei helfen können. Probieren Sie aus, was Ihnen guttut und welche Techniken für Sie infrage kommen. Über die Zeit entwickeln Sie so Ihre ganz persönliche Art der Krankheitsbewältigung

Junge Frau meditiert lächelnd auf dem Sofa
Junge Frau meditiert lächelnd auf dem Sofa

Wissen hilft

Informieren Sie sich über Ihr Krankheitsbild. Wenn Sie verstehen, warum Ihr Körper auf die eine oder andere Art reagiert, können Sie Ängste und Unsicherheiten abbauen. Sie erfahren, was Sie selbst tun können, damit sie sich leichter fühlen, und wie Sie Beschwerden vorbeugen. Wenden Sie sich mit Ihren Fragen an Ihre behandelnde Ärztin oder Ihren behandelnden Arzt. So erhalten Sie die passenden Antworten zu Ihrem individuellen Krankheitsbild.

Offenheit schafft Vertrauen

Gehen Sie aktiv und offen auf Ihre Umgebung zu. Freund*innen, Familie, Bekannte – beziehen Sie sie mit ein und erklären Sie Ihnen, was Ihnen schwerfällt oder wobei Sie von Zeit zu Zeit Hilfe benötigen. Das erleichtert Ihnen in schwierigen Phasen den Alltag und hilft auch Ihrem Umfeld. Nun wissen Ihre Angehörigen, wie sie Sie unterstützen können und wann Sie lieber Ihre Ruhe haben.  

Work-Life-Balance

Finden Sie Ihr Gleichgewicht. Fordern Sie sich heraus, ohne sich zu überfordern. Versuchen Sie zwischendurch abzuschalten: Gehen Sie in die Natur, meditieren Sie, kochen Sie etwas Leckeres. Tun Sie, was Ihnen guttut und Ihnen eine Auszeit ermöglicht.

Bewegung regt an

Sport und CED passen in schubfreien Phasen gut zusammen. Wenn Sie sich körperlich betätigen, wird Ihre Durchblutung und die Bewegung des Darms angeregt, was sich positiv auf Entzündungen auswirkt. Außerdem wirkt sich Sport positiv auf Ihre Psyche aus. Sportarten wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren sind gut geeignet. Nach einer schönen Tour auf dem Rad bemerken Sie sicher, wie frei Sie sich fühlen.

Auszeit nehmen

Entspannen Sie zwischendurch immer wieder. Dabei können ruhige Sportarten wieYoga oder Qigong helfen, aber auch Methoden wie Progressive Muskelentspannung oder bestimmte Atemübungen tragen zu Ruhe und Ausgeglichenheit bei. Negative Gedanken oder Gefühle treten in den Hintergrund und Sie lernen, wie Sie belastenden Momenten ausgeglichener begegnen können.

Krisen sind kein Versagen

Möglicherweise stecken Sie fest und haben das Gefühl, eine Phase nicht bewältigen zu können. Suchen Sie sich Hilfe. Niemand hat Schuld, wenn sich das Leben wie ein Berg vor einem auftürmt. Seien Sie mutig und gestehen Sie sich ein, dass Sie Unterstützung brauchen. Dies bedeutet nicht, dass Sie etwas nicht geschafft haben. Vielmehr zeigt es, dass Sie verantwortungsvoll mit sich und Ihrem Leben umgehen. Egal, wie groß oder klein Ihr Problem erscheint: Hilfe von außen kann Sie enorm erleichtern.

Finden Sie heraus, wie Sie sich bestmöglich unterstützt fühlen. Eine Psychotherapie mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten kann in Einzel- oder Gruppentherapien durchgeführt werden. Hierbei lernen Sie, Ihre Erkrankung anzunehmen, den Alltag zu bewältigen und Ihrem Leben mit Wohlbefinden zu begegnen. Möglicherweise fühlen Sie sich in einer Gruppe wohler. Gerade zu Beginn einer Therapie kann es leichter sein, andere Menschen um sich herum zu haben.

Außerdem können Sie sich eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe suchen. Tauschen Sie sich in einem geschützten Rahmen mit anderen Betroffenen aus und erfahren Sie, wie andere Menschen mit einer chronischen Erkrankung ihr Leben meistern. Möglicherweise bekommen Sie konkrete Tipps für Ihre Bewältigungsstrategien. Zudem können Sie Ihre eigenen Erfahrungen teilen und damit anderen Betroffenen helfen.
 

Wo finde ich Hilfe?

Die folgenden Anlaufstellen bieten weiterführende Informationen, Unterstützungsmöglichkeiten und Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe an:

  • Bei der Telefonseelsorge ist rund um die Uhr jemand für Sie erreichbar. Kostenlos und anonym.
    Tel. 0800-1110111 oder 0800-1110222
    www.telefonseelsorge.de
  • Der psychiatrische Notdienst oder die Notfallambulanz einer Klinik hilft Ihnen weiter, wenn Sie sich in einer akuten Notfallsituation befinden. Wenden Sie sich an den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Dort wird Ihnen mitgeteilt, welche Anlaufstelle in Ihrer Nähe liegt.
    Tel. 116117
  • Die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung, DCCV e. V. bietet zusätzliche Informationen für Betroffene und Angehörige einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung.
    www.dccv.de
    Zudem finden Sie dort Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe.
    www.dccv.de/die-dccv/selbsthilfegruppen/
  • Die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen bietet eine Datenbank, in der Sie sich nach einer für Sie passenden Selbsthilfegruppe umschauen können.
    www.nakos.de/adressen/datenbanksuche/
  • Darüber hinaus finden Sie hier unter Anlaufstellen eine Liste mit allgemeinen und therapiespezifischen Unterstützungsangeboten.

Praktische Alltagshelfer für zuhause und unterwegs

Wie funktioniert eigentlich der Darm?

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