Geschichte der Erkrankung

Die Geschichte der chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen

Chronisch-entzündliche Gelenkerkrankungen fordern Betroffene schon seit vielen Jahrhunderten heraus. Erkrankungen wie Gicht oder ankylosierende Spondylitis (AS) lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Auch konnte rheumatoide Arthritis (RA) an vielen antiken Skeletten nachgewiesen werden. Die einzelnen Erkrankungen konnten lange Zeit nicht voneinander unterschieden werden. Heutzutage kümmert sich die Rheumatologie als Teilgebiet der inneren Medizin um die Erforschung, Diagnose und Therapie von chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen.

Chronisch-entzündliche Gelenkerkrankungen im Wandel der Zeit

Das Wort Rheuma stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „fließender Schmerz“. In der Antike glaubten die Menschen, dass vier Körpersäfte – Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle – in einem angemessenen Verhältnis im Körper vorhanden sein müssen. Erkrankungen wie Gicht oder Arthritis wurden durch den gestörten Fluss dieser Säfte erklärt

Bereits zu jener Zeit erkannten Ärzt*innen, dass Ernährung und Gelenkerkrankungen zusammenhängen und dass sich bestimmte Diäten positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken können. Patient*innen mit Gelenkerkrankungen erhielten unter anderem weiße Weidenrinde – ein natürliches Schmerzmittel, das Salicin enthält und in unserem Körper zu Salicylsäure umgewandelt wird. Ein weiteres beliebtes Arzneimittel war ein Sekret der Analdrüse des Bibers.

Allerdings ging das wertvolle Wissen um die natürlichen Salicylsäure-Quellen im Laufe der Zeit verloren. Der Aderlass, ein in der Antike und bis ins 19. Jahrhundert weit verbreitetes Heilverfahren, wurde auch bei Gelenkerkrankungen in großem Umfang eingesetzt. Wer im Mittelalter an entzündlichen Beschwerden der Gelenke litt, wurde zusätzlich zum Aderlass mit Abführ- und Brechmitteln, Blutegeln oder gar mit glühenden Eisen „behandelt“.

Wichtige neue Impulse brachten das 19. und 20. Jahrhundert. Erstmals konnten Forschende aus der Weidenrinde die wirksame Substanz Salicin isolieren. Diese wurde später zur Acetylsalicylsäure (ASS) weiterentwickelt und rasch zum Standard in der Behandlung chronisch-entzündlicher Gelenkerkrankungen. Anfang des 20. Jahrhunderts gelang es mithilfe der Radiologie, den Unterschied zwischen Arthrose und rheumatoider Arthritis auszumachen.

In den vergangenen 70 Jahren entwickelte sich die Rheumatologie insbesondere durch die Einführung bestimmter entzündungshemmender Arzneien rasant weiter. In den 1940er Jahren wurde einer Patientin mit RA erstmals Kortison verabreicht. Das Arzneimittel Methotrexat wurde in den 1980ern eingeführt. Als sogenanntes Basismedikament spielt Methotrexat auch heutzutage eine wichtige Rolle bei der Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen, etwa bei RA oder Psoriasis-Arthritis.

Mit Zulassung des ersten Biologikums brach um die Jahrtausendwende schließlich ein neues Zeitalter in der Rheumatherapie an. Dank der optimierten Therapie verbesserte sich nun auch die Lebensqualität vieler Betroffener mit einer chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankung.

FORTSCHRITTE IN DER DIAGNOSTIK UND THERAPIE

  1. 500 vor Christus

    Patient*innen mit RA oder Gicht erhalten Weidenrinde als natürliches Schmerzmittel. Das in der Rinde enthaltene Salicin wirkt nachweislich fiebersenkend, schmerzstillend und entzündungshemmend.

  2. 380 vor Christus

    Zur Behandlung von Gelenkschmerzen und Magenbeschwerden empfiehlt der griechische Arzt und Lehrer Hippokrates Absinth. Das Getränk besteht aus in Wein oder Spirituosen eingelegten Wermuthblättern und hat vor allem eine berauschende Wirkung

  3. 1400

    Der Aderlass wird im Mittelalter als Standardtherapie bei zahlreichen Erkrankungen durchgeführt, darunter auch bei entzündlichen Gelenkerkrankungen. Durch einen Schnitt, beispielsweise in die Armvene, wird Patient*innen bis zu einem Liter Blut abgenommen. Indem „schlechtes“ Blut den Körper verlässt, soll ein heilender Effekt hervorgerufen werden.

  4. 1570

    Guillaume de Baillou greift den mehr als zwei Jahrtausende alten Begriff „Rheuma“ auf, den er als systemisches, also ganzheitliches Leiden des Stütz- und Bewegungsapparats definiert. Der französische Arzt gilt gemeinhin als Vater des Rheumatismus.

  5. 1768

    Als erster Arzt grenzt William Heberden Gicht und Arthrose voneinander ab. Die Ergebnisse seiner Erkenntnisse veröffentlicht der Engländer in seinem Buch „Medical Transactions“.

  6. 1897

    Der Wirkstoff Acetylsalicylsäure kommt in chemisch reiner und haltbarer Form auf den Markt. Schnell entwickelt sich das Arzneimittel, das Schmerzen lindert, Fieber senkt und entzündungshemmende Eigenschaften besitzt, zum Standard in der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen.

  7. 1904

    Joel Goldthwait, ein amerikanischer Arzt, stellt mit Hilfe von Röntgenaufnahmen erstmals den Unterschied zwischen RA und Arthrose fest.

  8. 1928

    Immer mehr Ärzt*innen behandeln RA und andere entzündliche Autoimmunkrankheiten mit Goldpräparaten. Der Einsatz des in chemischer Form gebundenen Golds begründet die erste Generation von Basismedikamenten gegen entzündliche Gelenkerkrankungen.

  9. 1949

    Philip Hench und Edward Kendall verabreichen einer Patientin mit RA erstmals Kortison, das schnell und akut antientzündlich wirkt. Das Arzneimittel gilt als Wunderheilmittel, führt jedoch bei zu hohen Dosierungen zu Nebenwirkungen.

  10. 1983

    Die Einführung von Methotrexat löst die ältere Goldinjektionsmethode endgültig ab. Das Arzneimittel wirkt entzündungshemmend und erzielt große Erfolge bei der Behandlung von RA. Das Basismedikament übernimmt seither eine wichtige Rolle bei der Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen.

  11. Jahrtausendwende

    Die ersten Biologika werden zugelassen und revolutionieren die Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen in nie dagewesener Weise. Die neuartigen Medikamente greifen gezielt in das Immunsystem und damit in die überschießende Entzündungsreaktion ein. Zum Beispiel durch die Wirkstoffe sogenannter Anti-TNFs, wie Adalimumab oder Infliximab, wird der Botenstoff Tumornekrosefaktor gehemmt. Unter anderem werden dadurch Entzündungen in den Gelenken gestoppt und Schmerzen und Schwellungen verringert. In den letzten zwei Jahrzehnten kamen zahlreiche Biologika auf den Markt, die die Therapiemöglichkeiten von Patient*innen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen seither stark bereichern.

Moderne Therapiestandards, verbesserte Lebensqualität

Insbesondere in den vergangenen 70 Jahren wurden große Fortschritte in der Diagnose und Therapie von chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen erzielt. Dadurch hat sich die Lebensqualität für viele Patient*innen mit Rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis oder axialer Spondyloarthritis deutlich verbessert.

Heute setzen Ärzt*innen auf mehrstufige Konzepte in der Therapie. In einer Akutphase helfen Schmerzmittel, die oft hochakuten Schmerzen zu lindern. Gleichsam lassen entzündungshemmende Medikamente mit oder ohne Kortison Gelenkentzündungen abklingen. Um erneuten Schüben und damit verbunden Komplikationen vorzubeugen, werden Patient*innen heutzutage möglichst immunsuppressiv behandelt. So haben Biologika einen wichtigen Stellenwert erreicht: Sie sorgen dafür, dass die Aktivität entzündungsfördernder Zellen im Immunsystem gedämpft wird.

Auch können Patient*innen selbst viel tun, um Ihren Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Regelmäßige, gelenkschonende Bewegung, praktische Haushaltshelfer für den Alltag sowie eine vollwertige Ernährung stellen eine sinnvolle Ergänzung zur medikamentösen Therapie dar. Allerdings kann keine noch so durchdachte Ernährungsweise die medikamentöse Behandlung von chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen ersetzen.

Dank moderner Therapiemöglichkeiten können Betroffene mit einer chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankung ihr Leben weitestgehend beschwerdefrei verbringen. Während viele Patient*innen in der Vergangenheit noch aufgrund von Schmerzen oder Gelenkdeformationen ihren Beruf aufgeben mussten, sind schwere Krankheitsverläufe heutzutage selten geworden

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