Geschichte der Erkrankung

Die Geschichte der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen fordern Betroffene in ihrem Alltag jeden Tag aufs Neue heraus. Das ist nicht nur in der heutigen Zeit so – schon vor Jahrhunderten sind Menschen an Morbus Crohn und Colitis ulcerosa erkrankt. Damals konnten die beiden Krankheitsbilder allerdings noch nicht auseinandergehalten werden. Die medizinische Forschung hat im Laufe der Zeit einiges geleistet und damit auch die Lebensqualität von Patient*innen enorm verbessert.

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa im Laufe der Zeit

Auch in der Vergangenheit berichteten Menschen von starken Bauchschmerzen, Durchfällen und Krämpfen. Sie verloren an Gewicht, fühlten sich schlapp und erschöpft. Beschwerden, die zu einer Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn passen würden. Im Laufe der Jahrhunderte berichteten Ärzt*innen immer wieder von Symptomen, die nach heutigen Maßstäben einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) entsprechen. Der französische König Ludwig der XIII hatte beispielsweise starken Durchfall, der immer wieder auftrat. Die Ergebnisse seiner Obduktion legen nahe, dass er an einer Darmtuberkulose oder an Morbus Crohn erkrankt war.

Damals gab es jedoch noch keinen eigenen Fachbereich in der Medizin, der sich um Menschen mit Darmerkrankungen kümmerte. Die Gastroenterologie wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt. Vorher wurden Betroffene ausschließlich chirurgisch behandelt. So konnten die zwei Krankheitsbilder in der damaligen Zeit noch nicht voneinander unterschieden werden. Zudem fehlten die nötigen medizinischen Untersuchungsmethoden, um die Patient*innen und ihren Darm entsprechend untersuchen zu können.

Mitte des 19. Jahrhunderts begann ein Paradigmenwechsel in der gastroenterologischen Medizin. Viele neue Untersuchungsmethoden kamen hinzu und auch die therapeutischen Möglichkeiten entwickelten sich stetig weiter. Dank einer optimierten Therapie und Diagnostik verbesserte sich nun auch die Lebensqualität von Betroffenen mit CED.

FORTSCHRITTE IN DER DIAGNOSTIK

  1. 1875

    Colitis ulcerosa wird von Samuel Wilks und William Moxon das erste Mal von einer sogenannten bakteriellen Dysenterie, einer durch Bakterien ausgelösten Darmentzündung, abgegrenzt. Vorher konnten die beiden Erkrankungen nicht voneinander unterschieden werden. Ismar Boas, der deutsche Begründer der Gastroenterologie, prägt allerdings erst knapp 20 Jahre später den Begriff Colitis ulcerosa.

  2. 1903

    Mit dem sogenannten Sigmoidoskop kann der Darm mithilfe einer Kamera nun auch von innen genau untersucht werden. Dabei können Ärzt*innen erkennen, welche unterschiedlichen Formen eine CED annehmen und wie sie sich entwickeln kann

  3. Anfang 20. Jahrhundert

    Das Röntgengerät wird eingeführt und lässt damit viele neue Möglichkeiten zu. Ist die Schleimhaut des Dickdarms entzündet und dadurch verändert, kann dies nun auf einem Röntgenbild erkannt werden.

  4. 1932

    Burrill B. Crohn publiziert gemeinsam mit Kolleg*innen die charakteristischen Symptome von Morbus Crohn. Er gilt damit als Entdecker der Erkrankung. Damals ist noch nicht bekannt, dass Morbus Crohn eine Autoimmunerkrankung ist, die die Darmflora verändert und die genetische sowie umweltbedingte Ursachen haben kann.

  5. 1970

    Die Ileoskopie (Darmspiegelung) und Biopsie (Gewebeentnahme) werden eingeführt. Später folgen die Magnetresonanztomographie (MRT), Sonografie und die Computertomographie (CT). Die neuen Untersuchungsmethoden helfen dabei, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn voneinander abzugrenzen. Zudem lassen die bildgebenden Verfahren zu, die Krankheiten zu kontrollieren. Ärzt*innen können nun sehen, wenn sich eine Entzündung ausdehnt und wie stark die Erkrankung ausgeprägt ist.

FORTSCHRITTE IN DER THERAPIE

  1. Ende 19. / Anfang 20. Jahrhundert

    CED kann bisher nur sehr begrenzt behandelt werden. Patient*innen sind durch die Therapie teilweise sehr beeinträchtigt: Opiumpräparate sollen die häufigen Stuhlgänge reduzieren, machen die Patient*innen jedoch schnell abhängig. Künstliche Darmausgänge können nicht ausreichend versorgt werden und infizieren sich schnell. Zusätzlich müssen strenge Diäten eingehalten werden.

  2. 1942

    Die ersten therapeutischen Ergebnisse des Wirkstoffs Sulfasalazin bei CED werden veröffentlicht und verbessern damit die medikamentöse Therapie. Der Wirkstoff wirkt auf das Immunsystem und hemmt dadurch Entzündungen im Köper. Er wird als Basistherapie bei CED eingesetzt. Seit 1985 ist Sulfasalazin in Form von Tabletten, Einläufen (Klysmen) und Zäpfchen (Suppositorien) einsetzbar.

  3. Anfang 20. Jahrhundert

    Bis 1950 hilft die medikamentöse Therapie für Patient*innen nur zum Teil. Weiterhin müssen Betroffene viel Bettruhe halten, sich eiweißhaltig ernähren und flüssige oder halbflüssige Diäten machen. Um die fehlenden Nährstoffe auszugleichen, bekommen sie Einläufe mit antientzündlichen Substanzen. Bei Morbus Crohn ist häufig nur eine unterstützende medikamentöse oder gar palliative Therapie möglich.

  4. 1950

    Ein erster Meilenstein in der medikamentösen Therapie von CED wird erreicht. Erstmals werden Glukokortikoide eingesetzt, heute auch als Kortison-Präparate bekannt. Das sind künstlich hergestellte Steroidhormone, die im Körper antientzündlich wirken. Viele Patient*innen erreichen durch sie eine stabile Remission. Das bedeutet, die Symptome der Erkrankung lassen vorübergehend oder sogar dauerhaft nach. Heute sind die Medikamente auch als lokal (topisch) wirksame Tabletten oder Einläufe (Klysmen) verfügbar.

  5. 1958

    Die professionelle Stomapflege wird eingeführt. Patient*innen mit einem künstlichen Darmausgang können nun bestmöglich versorgt werden.

  6. 1970

    Immunsuppressiva wie Mercaptopurin und Azathiopurin ergänzen nun die medikamentöse Behandlung von CED. Immunsuppressiva vermeiden oder unterdrücken, dass das Immunsystem reagiert. Substanzen wie Cyclosporin folgen ab 1985.

  7. 1978

    Mit dem ileoanalen Pouch gelingt ein entscheidender Fortschritt in der Chirurgie. Nun kann der Dickdarm operiert bzw. Abschnitte entfernt werden, ohne dass ein künstlicher Darmausgang (Stoma) gelegt werden muss. Daher gilt der Pouch als kontinenzerhaltend. Zudem bietet er eine einfachere und angenehmere Handhabe für die Patient*innen.

  8. Jahrtausendwende

    Die ersten Biologika kommen auf den Markt. Sie revolutionieren die Therapie chronisch-entzündlicher Erkrankungen und helfen damit auch CED-Patient*innen. Als Beispiel für eine solch innovative biologische Therapie gelten Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor, sogenannte Anti-TNFs. Reichen die vorherigen Therapien nicht aus, können Anti-TNFs wie Adalimumab oder Infliximab helfen.
    Das therapeutische Drug Monitoring (kurz TDM) ist eine neue Therapiestrategie, die bei Anti-TNFs angewendet wird. Dabei wird kontrolliert, wie der Wirkstoff im Blut konzentriert ist. Ein solcher Schritt in Richtung personalisierte Medizin ermöglicht eine individuelle Dosierung eines Arzneimittels.

Moderne Therapiestandards, verbesserte Lebensqualität

Im Laufe der Zeit verbesserten sich die Therapiemethoden und die Medikamente bei CED enorm. Für Betroffene von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen werden dadurch die Symptome gelindert – und sie erhalten die bestmögliche Lebensqualität.

Auch die Sicht auf die Therapiekonzepte hat sich verändert. Patient*innen werden möglichst von Beginn an immunsuppressiv behandelt, um erneuten Entzündungen vorzubeugen und um Symptomen vorwegzugreifen bzw. sie möglichst niedrig zu halten. Zusätzlich wird auch auf die Schleimhaut des Darms (Mukosa) geachtet und ihre Heilung gefördert. Mithilfe einer Ernährungstherapie werden die Patient*innen begleitend unterstützt.

Ernährungstherapeut*innen beraten, welche Lebensmittel gut verträglich sind und wie die Betroffenen ihre Mahlzeiten gestalten können.

Auch das sogenannte Darmmikrobiom, auch als Darmflora bekannt, spielt eine wesentliche Rolle. Forschungen zeigen, dass je vielfältiger die Bakterien im Darm zusammengesetzt sind, desto widerstandsfähiger ist auch das Mikrobiom des Darms - und damit auch die Gesundheit der Patient*innen. Bei CED-Betroffenen zeigt sich häufig ein verändertes Mikrobiom, weshalb die Therapie sich heute auch auf die Darmflora konzentriert.

Das Ziel jedes Therapiebereichs ist es, dass Betroffene langfristig eine stabile Remission erreichen und so ihren Alltag bestmöglich gestalten können.

Dank der heutigen Therapiemöglichkeiten sind schwere Verläufe selten geworden und Komplikationen können früh erkannt und rechtzeitig behandelt werden. Dabei gelten die Akut- und die Basistherapie als die Grundkomponenten einer Behandlung, um sowohl bei akuten Beschwerden eingreifen zu können als auch die langfristige Gesundheit der Patient*innen im Blick zu haben. Biologika haben mittlerweile einen wichtigen Stellenwert erreicht. Sie ermöglichen es Betroffenen, langfristig so beschwerdefrei wie möglich zu leben.

Wie funktioniert eigentlich der Darm?

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